Aus welchem Grund erstellen wir vollkommen nutzlose Gegenstände, die einfach nur „schön“ sind? Weshalb inszenieren wir so gerne den Akt der Nahrungsaufnahme zu einem abendfüllenden Schauspiel?

Kunstgenuss mit allen Sinnen

Man mag über Kunst und Künstler denken, wie man will, eines steht fest: Kunst scheint für die Evolution ein wichtiger Posten zu sein, sonst würde die Menschheit nicht so viel Zeit und Ressourcen aufbringen, um vollkommen nutzlose Ideen und Dinge zu erschaffen, die zum Überleben der Art nicht annähernd so wichtig sind, wie zum Beispiel Nahrung.

Der Mensch geht sogar soweit, dass er die Nahrungsaufnahme als Ritual zelebriert; wir haben Porzellan, Silberbesteck und unzählige Kochgerätschaften, die Tische an denen wir während des Essens sitzen, verschönern wir gerne mit Blumengirlanden, Deckchen und sonstigem Zierrat. Egal welche Kultur, egal welche soziale Schicht; die Neuversorgung des Körpers mit Energie ist in der Regel ein kunstvoll inszeniertes, manchmal abendfüllendes Theaterstück, das zu einem unserer Lieblingsbeschäftigungen zählt.

Warum tun wir das?

Wohl aus dem gleichen Grund, weshalb wir auch Blütenstaub und rote Ameisen zu Pulver vermahlen und mit Leinöl vermischt auf Leinwände auftragen und es dann „Kunst“ nennen. Wir sind einfach sinnliche Wesen, die nicht nur nach immer mehr Wissen streben, sondern auch nach neuen Genüssen, die uns anregen, inspirieren, oder einfach nur ein wohliges Gefühl von „JA“, hervorrufen.

So sind wir. So waren wir schon immer und werden das wohl auch bleiben; Künstler und Hedonisten, die vom Leben mehr erwarten, als nur geboren zu werden, um irgendwann wieder zu sterben.

Lange Zeit gab es keine wirklich annehmbare Antworten, wenn es um die Frage ging, weshalb wir etwas als „schön“ empfinden und manches als hässlich; Künstlern wurde einfach das göttliche Genie nachgesagt und die meisten hatten wohl auch nichts dagegen einzuwenden.

Die heutige Neurobiologie gibt endlich Antworten, wenn auch noch nicht sehr viele, denn Neuroästhetik steht verständlicherweise nicht unbedingt ganz oben in der Prioritätsliste von Forschung und Wissenschaft.

Kunstgenuss im Gehirn

Einer der führenden Neurobiologen, die sich mit den physiologischen Grundlagen für Kunst und Ästhetik befassen, ist der Britische Professor Semir Zeki. Professor Zeki hat eine ebenso schöne, wie schlichte Beschreibung, um die Aufgabe des Gehirns zu erklären, nämlich Erkenntnisse über die Welt zu gewinnen, um auf ankommende Signale reagieren zu können.

Für diese Aufgabe stehen uns laut Semir Zeki zwei Konzepte zur Verfügung; ein angeborenes und ein synthetisches. Das angeborene (unveränderbare) Konzept ist die Bereitschaft Erfahrungen zu machen, das synthetische Konzept ist die Fähigkeit aus Erfahrungen Wissen zu generieren. Das synthetische Konzept verändert sich laufend, weil ständig neue Erfahrungen integriert werden. Die Kategorisierung von neuen Erfahrungen läuft hauptsächlich unbewusst ab, aus ihnen entsteht jedoch ein Idealbild, wonach das Gehirn immer suchen wird.

Aus dem Streben nach Vollkommenheit, aus dem Wunsch, sich diesem Idealbild, das sich unser Gehirn aus unzähligen Informationen erstellt hat, entsteht das Bedürfnis nach Schönheit, daraus entsteht Kunst. Und sobald wir Schönheit – egal in welcher Form – wahrnehmen, wird das Belohnungszentrum aktiviert und ein Gefühl von Zufriedenheit entsteht.

Somit scheint bewiesen, dass das menschliche Bedürfnis nach Kunst und sinnlichen Genüssen, keineswegs von den Gnaden der Götter und Musen abhängt, viel mehr ist es eine tief im Menschsein verankerte Sehnsucht nach Ganzheit, die im Gehirn seine biologische Entsprechung hat.

Das mag vielleicht etwas pragmatisch und desillusionierend klingen, ist es aber keineswegs, denn dieses Wissen um die neurologischen Vorgänge in unseren Gehirnen lässt uns selbst besser erkennen und verstehen. Und mal ehrlich, ist es nicht sogar noch großartiger, zu wissen, dass wir alle ein kleines Universum unter der Schädeldecke haben und keineswegs auf die Gnade von irgendwelchen launischen Göttern angewiesen sind?

In jedem von uns steckt der „Künstler“, der das Gute und das Schöne in der Welt und in sich selbst sucht und vielleicht ist das der einzige wirkliche Sinn, den wir unseren Existenzen jemals abgewinnen werden.

Weitere Artikel über Lebenskunst und Künstlerleben finden Sie auf meiner persönlichen Seite www.madforart.de