Das Zeitalter der Erkenntnis von Eric Kandel ist eines meiner Lieblingsbücher, die ich von Zeit zu Zeit gerne aus dem Regal hole, um in die Gedankenwelt des bedeutenden Neurowissenschaftlers, einzutauchen.

Interessante Bücher über das Gehirn gibt es inzwischen mehr als genug auf dem Buchmarkt. „Das Zeitalter der Erkenntnis“ ist jedoch in vielerlei Hinsicht weit mehr als nur „interessant“. (Originaltitel: The Age of Insight, The Quest to Understand the Unconscious in Art, Mind, and Brain, from Vienna 1900 to the Present.)

Das Zeitalter der Erkenntnis von Eric Kandel

Der Nobelpreisträger Eric Kandel beeindruckt schon allein durch seine Biografie und seine Persönlichkeit. Professor Kandel hat als Kind das Nazi Regime in seiner ganzen Grausamkeit miterlebt und dennoch hat er niemals seine tiefe Liebe zum Menschen verloren.

Um ehrlich zu sein habe ich zuerst die 2008 erschienene Dokumentation über sein Lebenswerk gesehen: Auf der Suche nach dem Gedächtnis  und war von der ersten Sekunde an fasziniert von der Lebensenergie und der Begeisterung, die der Professor noch in hohem Alter ausstrahlt.

Seine Forschung, das ist sein Leben. Und wie es scheint, sucht er weniger nach Antworten, als nach immer neuen Fragen. Immerhin war Eric Kandel der erste Neurowissenschaftler, der sich der Frage widmete: „Wie kommt die Kunst in unser Gehirn?“

Leider ist Entstehung und Wirkung der bildenden Kunst bis heute nur wenig neurowissenschaftlich erforscht. Eric Kandel füllt diese Lücke mit einer unfassbaren Grandiosität und Weitblick.

Wie kommt die Kunst in unser Gehirn?

Eric Kandel überträgt nicht nur die Erkenntnisse über unserer visuellen Wahrnehmung auf die Betrachtung von Kunstwerken.

Er spannt auch noch einen weiten Bogen, der etwa im Jahr 1900 in Wien beginnt und noch lange nicht zu Ende ist. Eric Kandel findet die Ursprünge der psychologischen Deutung von visuellen Eindrücken bei Freud, Kokoschka und Gustav Klimt und verbindet die Erkenntnisse der Gestaltpsychologie mit denen der modernen Neurobiologie.

Dieses umfangreiche Werk ist also weit mehr, als „nur“ ein Sachbuch; es ist ein Blick auf die Wissenschafts- und Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts, die ihre Entwicklung in der heutigen Neurobiologie fortsetzt.

Das Buch kann unsere Vorstellung von uns selbst radikal verändern, wobei die Forschungsergebnisse für mich vielleicht nicht einmal die wichtigste Rolle gespielt haben. Es war Eric Kandel selbst, der mich verändert hat; sein ungebrochener Forscherdrang, seine Weisheit und seine Lebensenergie inspirieren den Leser bis zum allerletzten Buchstaben.

Dieses wunderbare Buch empfehle ich all denjenigen, die große Freude am Erkennen von Zusammenhängen haben und sich für die wissenschaftliche Sicht unseres Denkorgans begeistern können.