Unser Altkanzler Helmut Schmidt riet jedem, der Visionen hat, zum Arzt zu gehen.Er war ein sehr weiser Mann und deshalb glaube ich, dass ihm die Zeitgeschichte einfach ein Wort gestohlen hat. Er sagte vielleicht: „Jeder der KEINE Visionen hat sollte zum Arzt gehen.“

Visionen – die Fahrkarte in die Zukunft

Nein, wir haben immer noch keine Zauberkugel. Obwohl wir so viel wissen, soviel beobachten, auswerten und berechnen können, scheint es mit Vorhersagen immer noch nicht so recht zu funktionieren.

Wie denn auch? Wie sollte es möglich sein in all der Komplexität, die wir Menschen permanent produzieren klare Zukunftsbilder zu erkennen? Wie sollen wir all die unzähligen Einflüsse, die zu all den unzähligen Ereignissen führen, die ihre Wirkung teilweise noch lange nach dem sie statt gefunden haben, immer noch weiter entfalten, neue Ereignisse verursachen, die dann auch….es ist vollkommen sinnlos, davon bekommt man nur Kopfschmerzen.

Schwarze Schwäne

Dieses Perpetuum mobile -irgendwann, irgendwie in Gang gesetzt- wird uns weiterhin ständig mit Überraschungen, mit unerwarteten Ereignissen (der Bestseller Autor Nassim Nicholas Taleb nennt das Unvorstellbare, das uns immer wieder aus der komfortablen Lebensbahn wirft: „Schwarzer Schwan“) und mit Zufällen konfrontieren. Wir werden auf teilweise schmerzhafte Art erfahren, dass wir tatsächlich keinerlei Informationen über die Zukunft haben.

Und auch gar nicht haben können, denn die vielfachen Wechselwirkungen, die das Leben aller auf diesem Planeten bestimmen, sind nun mal nicht kontrollierbar.

So ist es nun mal und vermutlich ist es sogar ein gutes Konzept, denn es zwingt uns dazu zu lernen, uns immer wieder neu anzupassen und kreativ zu sein. Das Beste aber, was diese Unbestimmbarkeit in uns auslöst ist: sie zwingt uns zu träumen.

I have a dream…

„I have a dream…“ mit diesen schlichten Worten begann die bis heute unvergessene Rede des großen Martin Luther King, die er am 28. August 1963 hielt. Diese wenigen Worte haben nicht nur die Herzen von Millionen Menschen gerührt, sie haben die Geschichte für alle Zeiten verändert.

Sicher, Rassismus ist auch heute noch ein schmerzhaftes Thema, aber sie aus unseren Gehirnen zu tilgen scheint eine der schwierigen Aufgaben zu sein, mit der wir uns noch einige Zeit beschäftigen werden müssen. Aber ein kurzer Blick zurück in unsere jüngste Geschichte wird zeigen, dass sich der „Traum“ von Martin Luther King in vielerlei Hinsicht realisiert hat. Allein schon die Tatsache, dass wir Rassismus überhaupt thematisieren, ist der beste Beweis dafür, dass sich Vieles sehr positiv verändert hat.

(In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Studien mit überaus erschreckenden Ergebnissen: die meisten von uns, die fest daran glauben keinerlei Ressentiments gegen andere Hautfarben zu hegen, sind doch insgeheim Rassisten und das sogar von Geburt an. Neugeborene haben ein besonderes Vertrauen zu Menschen ihrer eigenen Hautfarbe, wohingegen sie Menschen mit anderen Hautfarben eindeutig mit einigem Misstrauen begegnen. Nachzulesen in „Denken: Wie das Gehirn Bewusstsein schafft“ von Stanislas Dehaene.)

Visionen der 60er

Dass es eines Tages keine Rassentrennung mehr geben würde war nicht die einzige Vision, die damals Millionen Menschen Hoffnung gab: die Nachkriegsgeneration träumte von Frieden, von Sicherheit, Wohlstand und Gerechtigkeit. Und sie träumten von Technologien, die das Leben aller Menschen auf diesem wunderschönen Planeten lebenswerter machen und uns bald zu den Sternen bringen werden.

Die Bilanz 50 Jahre später fällt recht positiv aus. Dieser Planet ist sicherlich noch immer nicht der perfekte Ort, an dem man paradiesische Zustände erwarten sollte. Aber wir Menschen sind nun mal leider ebenso wenig perfekt. Und gerade deshalb sollten wir anerkennen, was die Menschheit Gutes geleistet hat und uns die Chance geben, dass wir uns weiter entwickeln, dass wir friedlicher und rücksichtsvoller werden und dass wir uns eines Tages ohne Vorbehalte als Teil eines grossen „WIR“ verstehen werden.

Let’s have a dream…..

Wir müssen uns nur erlauben wieder zu träumen. Wir brauchen Visionen, die unsere Vorstellungskraft ebenso übersteigen, wie sich 1963, als Martin Luther King seine Rede hielt, niemand vorstellen konnte, dass nur 50 Jahre später ein Afroamerikaner der President der Vereinigten Staaten wird.

Wir müssen weiterhin von Frieden, von Sicherheit, Wohlstand und Gerechtigkeit für alle Bewohner dieses Planeten träumen; wir müssen weiterhin von heute noch unvorstellbaren Technologien träumen, anstatt sie zu fürchten; wir müssen an unseren Träumen ebenso glauben, wie alle vor uns an ihren Träumen geglaubt haben!

Und dann werden wir es möglich machen. Wir werden jeden Tag ein wenig dafür tun, dass diese uralten Menschheitsträume eines Tages wahr werden.

In wenigen Jahren werden unsere Nachkommen vielleicht ebenso erstaunt sein, wenn sie zurück schauen und unsere heutige Lebensart betrachten, wie wir es heute sind, wenn wir zufällig Fotos aus den 60ern sehen, als Rassentrennung in den USA noch eine Selbstverständlichkeit war.

Nein, das ist kein hysterischer Optimismus. Ich nenne es Hoffnung. Und Hoffnung ist die einzige Fahrkarte, die uns in eine lebenswerte Zukunft führen kann.

Let’s have a dream…..