Seit sehr vielen Jahren befasse ich mich mit dem Phänomen Kreativität und versuche zu verstehen, was Kreativität ist, woher sie kommt und durch welche Kreativitätstechniken man Kreativität am besten fördern kann.
In den vergangenen 20 Jahren habe ich unzählige Bücher über Kreativität gelesen. So manches mal habe ich schon gedacht, ich hätte endlich die richtigen Antworten gefunden und das Prinzip der Kreativität verstanden. Dieses Gefühl zu „wissen“ hielt jedoch nie lange vor.
Kreativitätstechniken und der Wille die Welt zu gestalten
Es schien mir sehr oft schon nach kurzer Zeit, als würde noch etwas fehlen und dass dieses fehlende Etwas sogar sehr wichtig ist. So habe ich weiter nach Informationen gesucht, noch mehr über Kreativitätstechniken und Innovationszyklen gelesen; die gesuchte Antwort blieb jedoch weiterhin aus.
Bis es vor kurzem Klick machte.
Im Nachhinein betrachtet, ist es eigentlich vollkommen klar, dass ich so lange gebraucht habe, um die richtige Antwort zu finden, denn das, was mir an Erkenntnis gefehlt hat, ist für mich und für viele andere Menschen selbstverständlich; Kreativität an sich ist nicht die Quelle aus der die Neuerungen einfach so heraus sprudeln. Der Ursprung jeder Art von Kreativität ist der Wille die Welt aktiv zu gestalten.
Das Erlernen und Einüben von Kreativitätstechniken, das Lesen von Ratgebern, Hören von Vorträgen nützt nämlich absolut gar nichts, wenn der Wille, etwas in der Welt zu verändern, nicht den Anstoß gibt entsprechende Entscheidungen zu fällen und auf Vorhaben Handlungen folgen zu lassen.
Schwimmen lernen ohne Wasser
Es ist ein Irrtum zu glauben, es würde genügen zu wissen, wie und warum, unter welchen Bedingungen oder an welchen Orten Kreativität am besten gedeihen kann. Kreativität kann sich erst dann entfalten, wenn der Wille zu gestalten mobilisiert wird!
Vielleicht ist Kreativität vergleichbar mit Schwimmen. Man kann unzählige Bücher über Schwimmtechniken lesen, aber so lange man nicht den Mut aufbringt, selbst ins Wasser zu springen, wird niemand schwimmen lernen können. Etwas zu lernen nur um Wissen abzuspeichern, hat keinen Nutzen.
Wissen (also auch das Wissen über Kreativität) erhält seinen Wert erst dann, wenn es am Leben erprobt wird.
Ich bin Künstlerin mit Leib und Seele und solange ich denken kann, wurde ich von dem Willen getrieben, Neues zu schaffen.
Jedes Bild, das ich je gemalt habe und das mein Atelier verlassen hat, übt einen Einfluss auf das Leben all der Menschen aus, die mit dem Bild leben, arbeiten und ihren Alltag verbringen.
Der unvernünftige Künstlerwille
Bei Künstlern ist der Wille zu gestalten so mächtig, dass er sogar jede Vernunft besiegt, denn sich die Malerei (oder auch alle anderen künstlerischen Tätigkeiten) als Brotberuf auszuwählen, hat weit mehr mit kindlicher Naivität, als mit der rationalen Welt der „Erwachsenen“ zu tun.
Und dennoch tun es sehr viele. Manche Künstler haben einen bescheidenen materiellen Erfolg, sie können durch ihre Arbeit zumindest ihre Existenz sichern.
Den meisten Künstlern ist nicht einmal das vergönnt. Und diejenigen, die durch ihr künstlerisches Schaffen reich werden, sind im Vergleich mit den all den anderen eine so winzige Minderheit, dass man sie in der Statistik vermutlich gar nicht berücksichtigen kann.
Und trotzdem gibt es unzählige Künstler, die all die Nachteile gerne in Kauf nehmen, nur um das, wovon sie überzeugt sind, möglichst jeden Tag tun zu können.
Sie werden für ihren Mut gerne bewundert, zuweilen werden sie aber auch etwas ängstlich beäugt, denn sie sind so anders. Sie leben so anders, verzichten freiwillig auf Vieles, was den meisten Menschen selbstverständlich zu sein scheint und trotzdem scheinen sie glücklich und zufrieden zu sein. Die meisten zumindest.
Was ist also ihr Geheimnis? Talent? Beharrlichkeit? Oder einfach nur eine besondere Begabung Glück zu empfinden?
Süchtig nach „Neu“
Sicherlich spielt jeder dieser Faktoren eine Rolle, aber nicht hauptsächlich. Des Rätsels Lösung ist: es ist ihr unbändiger Wille nach dem Neuen zu suchen.
Es ist das Gefühl gestalten und Neues erschaffen zu MÜSSEN.
Allerdings haben kreativ tätige Menschen von der Natur einen sehr großen Vorteil erhalten; denn Gewohntes wird ihnen sehr schnell langweilig.
KreativArbeiter sind sozusagen süchtig, wenn es darum geht neue Ideen zu entwickeln, Lösungen für Probleme zu suchen, oder einfach nur ein neues Bild zu malen.
Sie können gar nicht anders, als sich selbst und die Welt ständig neu zu erfinden, das Überraschende zu lieben und sich ohne Vorbehalte in neue Projekte zu stürzen.
Machen um jeden Preis – Scheitern inbegriffen, denn das kreative Scheitern ist eine Chance, die Grenzen der eigenen Ideen und Fähigkeiten zu erkennen und sich dadurch erst können wir uns permanent verbessern und anpassen.
Ich möchte jedoch keineswegs den Eindruck erwecken, dass diese Haltung nur Künstler auszeichnet, denn auf die gleiche Art sind auch die erfolgreichsten Innovationen der Menschheitsgeschichte entstanden.
Wir sehen häufig nur das Endprodukt und übersehen den langen Weg, der mit unzähligen Hindernissen gepflastert war, die erst überwunden werden mussten um zu diesem oder jenem Produkt zu gelangen.
Probieren, probieren, scheitern und probieren
Tatsache ist zum Beispiel, dass der große Edison die Glühbirne niemals entwickelt hätte, wenn er nach einigen erfolglosen Versuchen aufgegeben hätte.
Er war nicht nur ein überaus intelligenter Ingenieur, er war von seinen Ideen regelrecht besessen. Deshalb gelang es ihm sein ständiges Scheitern zu nutzen, um zu lernen, um die Idee zu verbessern.
Er verstand gescheiterte Versuche nicht als Rückschlag, viel mehr war er zutiefst davon überzeugt, dass ihn jeder misslungene Versuch seinem Ziel näher bringt.
Nach dem tausendsten gescheitertem Versuch eine markttaugliche Glühbirne zu entwickeln, sagte Edison:
„Ich bin nicht gescheitert. Ich kenne jetzt 1000 Wege, wie man keine Glühbirne baut.“
Was sollen wir also tun? Wie werden wir über Nacht zum Entdecker? Gibt es vielleicht ein Zaubermittel, das uns von jetzt auf gleich zum Gestalter unserer Welt mutieren lässt?
Eigentlich ist es sehr viel einfacher; wir müssen lediglich erkennen, dass wir ohnehin mit allen unseren Aktionen die Zukunft dieses Planeten gestalten.
Auch Passivität gestaltet die Welt
Ja, sogar Passivität erzeugt unzählige Wirkungen, die den weiteren Verlauf unserer Geschichte mit bestimmen werden. Wir müssen uns einfach darüber im Klaren sein, dass wir ohnehin – ob bewusst oder unbewusst – permanent das Leben von Milliarden Menschen, Tieren und der Umwelt, die wir miteinander teilen, beeinflussen.
Zunächst beeinflussen wir durch Tun oder Nichttun die Menschen in unserer unmittelbaren Umgebung. Ebenso werden wir selbst durch unsere Umgebung beeinflusst.
Wer sich selbst gut beobachtet, der wird erkennen, dass es einen gewaltigen Unterschied machen kann, ob uns die Kassiererin beim Discounter freundlich begrüsst, nicht wahrnimmt, oder uns sogar ausgesprochen wütend und verärgert begegnet.
Es sind die unermesslich vielen alltäglichen Kleinigkeiten, die uns alle zu Gestaltern unserer Welt machen.
Wir können uns all diesen Einflüssen ausliefern und uns selbst hilflos dabei zusehen, wie uns die wachsende Ohnmacht und Furcht lähmen.
Wir können aber auch erkennen, welchen Einfluss wir auf die Welt ausüben.
Wir können lernen, uns selbst als Gestalter zu begreifen, auch wenn uns unser Einfluss vielleicht klein oder sogar unbedeutend erscheint.
Nach dem es uns gelungen ist unseren Gestaltungswillen zu mobilisieren, können wir uns endlich den Prinzipien und Techniken der Kreativität zuwenden.
Dann werden wir zu unserer grössten Überraschung feststellen, dass keine Kreativitätstechnik, keine wissenschaftliche Publikation, kein guter Rat und keine Anleitung den Kern der menschlichen Kreativität ersetzen kann: den unbändigen Willen die Welt zu gestalten.
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