Denkroutinen aufbrechen
Wir machen Erfahrungen, sammeln sie, werten sie aus und legen sie dann in irgendeiner Schublade ab, um sie bei Bedarf zu nutzen. Das ist gut so, denn das ist unsere einzige Möglichkeit, zu lernen und uns auf eine vollkommen ungewisse Zukunft vorzubereiten. Ausserdem ist das eine ausserordentlich clevere Methode, die uns davor bewahrt, dass unsere Gehirne permanent überlastet sind mit all den Informationen, die auf uns einprasseln.
Wir kategorisieren, sortieren alles schön in die geistigen Schubladen ein und hoffen dadurch mehr Zeit und Energie für die Lösung von aktuellen Problemen zu haben. Diese Schubladen umzuräumen fällt uns natürlich schwer und noch schlimmer ist es, wenn man versucht sie zu entrümpeln.
Das sind durchaus auch Erfahrungen, die ich seit vielen Jahren in der Malerei mache; sobald ich etwas gefunden habe, das mir leicht von der Hand geht, will mein Gehirn am liebsten auf Autopilot schalten.
Licht kommt von oben, oder nicht?
Eines dieser Phänomene ist die Ordnung, wie es uns von unseren Gehirnen diktiert wird. Zum Beispiel kommt Licht meistens von oben, also erwarten wir es von oben.
Dies ist ein grundsätzliche, tief abgespeicherte Erfahrung, die uns die Orientierung in der Welt erleichtert. Und es ist so fest in uns verankert, dass wir kaum anders können als den hellen Teil in Bildern als „oben“ wahrzunehmen. Viel mehr noch: Bilder die oben dunkler sind, als unten, erleben wir sogar als unangenehm, irgendwie nicht passend. Auch während ich male wirkt diese Erfahrung/Erwartung so stark, dass es mir kaum gelingt dagegen anzumalen.
Ein ähnlicher Mechanismus ist die Suche nach Vertrautem. In allem was uns begegnet suchen wir etwas, was wir bereits kennen. So neige auch ich beim Malen dazu, Formen und Figuren, die ich glaube in dem ersten bunten Farbchaos zu erkennen, zu betonen, bzw. hervorzuheben.
Diesem Verlangen nicht nachzugegeben ist einerseits das spannendste in der abstrakten Malerei, aber es kostet ungemein viel Energie.
Phantasie und Kreativität
Bei den meisten Bildern, die ich im vergangenen Frühling gemalt habe, ist es mir gelungen, den Versuchungen zu widerstehen weiter zu malen, wie gewohnt; chaotischer Hintergrund und davor dann nachträglich hervorgehobene Formen, Figuren und Gegenstände. Die Bilder bestehen aus scheinbar ungeordneten „Flecken“, die aber dennoch irgendwie miteinander in Beziehung zu stehen scheinen. Es ist überaus anstrengend sich mit dieser „Unordnung“ zu konfrontieren und damit meine ich nicht nur das Malen, sondern auch das Betrachten von Bildern, die auf den ersten Blick keine klare Aussage haben, oder etwas Konkretes darstellen.
Es lohnt sich aber zu lernen das „Unkonkrete“ wenigstens hie und da auszuhalten, denn nur dort, hinter dem, was wir gerne Wirklichkeit nennen, findet man die wirklich neuen Ideen und Gedanken.
Wenn wir immer nach bekannten Mustern suchen, dann verschliessen wir uns einer Welt, die sich hinter all dem, was wir glauben erkennen zu können, verbirgt.
Das Neue verbirgt sich gerne hinter all dem, was wir glauben zu kennen und zu wissen. Das Gewohnte reagiert schnell, zuverlässig und ist bequem; es bietet griffige Erklärungsmodelle, die wir in dieser kaum verständlichen Welt nur allzu gerne für wahr halten und annehmen, anstatt das Unbekannte, das Ungewisse auszuhalten.
Aber all diese – sicherlich oft bewährten Denkweisen – verstellen den Blick für all das, was sich hinter dem alltäglich Erfahrbarem versteckt. Die Denkroutinen blockieren die Phantasie und verhindern somit jede Art von Fortschritt.
Ohne Phantasie gibt es keine Kreativität. Und ohne Kreativität gibt es kein Überleben.
Und was sagt die Malerei dazu?
Die Malerei ist der perfekte Raum, ohne Gefahr Denkexperimente durchzuführen und Glaubenssätze zu hinterfragen. Das ungewohnte Denken in Farben und Formen führt in die tiefsten Urgründe von Begriffen, die man allein mit Worten nicht erreichen kann. Fragen wie zum Beispiel: „Welche Farbe hat die Freiheit?“, oder „Ist Vertrauen eher rund oder eher eckig?“ mögen zunächst einmal sehr irritierend sein, aber wenn man es dann geschafft hat, sich auf diese Art des Denkens einzulassen, wird man erstaunliche Antworten erhalten.
Ludwig Wittgenstein schrieb dazu: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“
Die Welt der Farben und Formen sind jedoch grenzenlos.
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